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Der Mythos vom Pull-Effekt

Achtung, wenn einer es schafft, kommen noch viel mehr nach …dieses Mantra scheint in den Köpfen vieler Politiker und auch in der sogenannten “Mitte der Bevölkerung” weit verbreitet. Und wehe, diejenigen, die es tatsächlich schaffen, könnten in Europa menschenwürdige Bedingungen vorfinden… Diese oft unausgesprochene und nicht hinterfragte Angst hat meiner Meinung nach zur Folge, dass erstens selbstverständlich keine sicheren Fluchtrouten geschaffen werden (denn dann könnte ja tatsächlich jemand kommen). Zweitens tut die EU (und die meisten Mitgliedsstaaten) viel dafür, die Flucht immer weiter zu erschweren. So wird zum Beispiel die zivile Seenotrettung mit allen Mitteln behindert, die Boote werden unter allen möglichen Vorwänden in den Häfen festgehalten, illegalisiert oder, wenn sie dann mal Menschen gerettet haben, nicht in die Häfen gelassen. Die staatliche Seenotrettung ist mittlerweile so weit, dass sie Menschen eher beim Ertrinken bzw. Verdursten zusieht als zu retten, so geschehen in Malta und Griechenland, oder, wenn das von alleine nicht klappt, die Boote sabotiert und / oder die Menschen in Gewässer zurückbringt, die nicht zur  eigenen Search and Rescue-Zone gehören.  Die armen Menschen, die es in die EU geschafft haben, lässt man lieber in Lagern unter elendigen Bedingungen dahinvegetieren. Nur sind die jetzt halt schon so überfüllt, dass wirklich keiner mehr reinpasst. Es wäre vielleicht ganz sinnvoll, dass andere europäische Länder, die nun mal mehr im Inneren liegen, auch Geflüchtete aufnehmen…

Das ist allerdings politisch nicht gewollt. Da berufen sich diese Länder  lieber auf den Pull-Effekt –  vor allem hat kein Land Lust, den ersten Schritt zu tun und überhaupt erstmal Menschen aus den Lagern zu holen. Geschweige denn Menschen aus Seenot zu retten – denn es könnten ja sonst noch mehr kommen, oh je. Ein Vorwurf an die zivile Seenotrettung lautet immer wieder, dass dadurch nur noch mehr Menschen zur Flucht ermutigt werden…

Dabei ist dieser sogenannte “Pull-Effekt” meines Erachtens nach Humbug. Menschen fliehen zu allererst vor etwas. Wenn ein Mensch die Wahl hat zu sterben dort wo er wohnt, sei es durch Hunger, Verfolgung oder Krieg, oder “nur” eventuell auf der Flucht zu sterben, es vielleicht aber auch zu schaffen, würde jeder die Flucht wählen. Wie gering die Chance ist, es zu schaffen, spielt dabei keine Rolle. Sind die Menschen erst einmal in Libyen gelandet, und viele sterben bereits vorher bei der Durchquerung der Sahara, haben sie sowieso keine andere Perspektive mehr. Jeder würde die Flucht versuchen, egal, ob Rettungsschiffe unterwegs sind oder nicht. Die zivilen Rettungsschiffe sorgen lediglich dafür, dass mehr Menschen überleben – was vielen Politikern wohl nicht recht ist.

Die Zeichnung ist wie immer Creative Commons.

Traduction du dessin: Les options en haut à gauche sont: rester=mort, partir = mort éventuelle

En bas à gauche: Ce que certains hommes politiques semblent penser (“Pull-Effekt, tourisme de migration…):

Bulle: “Ici, je vais vraiment trop bien, je vais tenter d’aller en Europe, mon oncle l’a également réussi.